Neue Quellen anzapfen
Taunuszeitung vom 19.08.2014, von: Jana Kötter,
Bis Ende des Monats stellen straffällige Jugendliche in Bad Homburg die Kunstwerke vor, die sie mit dem Oberurseler Verein „Kunsttäter“ erstellt haben. Wie das Projekt finanziert wird, wissen die jungenKünstler meist gar nicht – dabei ist die Frage nach der Finanzierung nicht immer einfach.
Hier können sich jugendliche Straftäter einmal von einer ganz anderen Seite zeigen: Fernab von ihrem üblichen Umfeld können sie in der Bildhauerwerkstatt „Kunsttäter“ ihre Sozialstunden ableisten, Kunst erschaffen – und so in einziger Art und Weise ihre Tat reflektieren. Am Ende sollen sie möglichst wieder auf eigenen Beinen stehen, ohne wieder in alte Muster zu verfallen.
Dass das Stehen auf eigenen Beinen jedoch ganz schön wackelig sein kann, weiß „Kunsttäter“-Initiator Andreas Hett. Im Jahr 2000 kam dem Diplom-Sozialarbeiter und Kunsttherapeuten die Idee für das Projekt. Angelehnt an das Konzept der Frankfurter Gallus-Werkstatt ist die Bildhauerwerkstatt so vor 14 Jahren entstanden.
„Damals hat uns der Kultur- und Sportförderverein Oberursel sofort mit 10 000 Euro gefördert.“ Zunächst zog das – als einmalig stattfindende Aktion geplante – Projekt in eine große leerstehende Halle, seit 2006 arbeiten die Jugendlichen in Räumen der Feldbergschule.
„In den Anfangsjahren hat uns die Stadt Oberursel noch stark gefördert, doch mittlerweile finanziert sich das Projekt aus eigenen Mitteln“, sagt Andreas Hett stolz. Dazu tragen auch die regelmäßig stattfindenden Auktionen bei: „Die Jugendlichen müssen ihre Kunstwerke, wenn sie fertiggestellt und die Sozialstunden abgearbeitet sind, bei uns lassen“, erklärt Hett das System. „Wir versteigern diese dann – so fließt ein Teil der Arbeit wieder zurück in den guten Zweck, so geben die jungen Erwachsenen ihren Teil zurück.“
Seit 2012 wird die Bildhauerwerkstatt vom eigens gegründeten Verein „Kunsttäter“ getragen. Mehr als zehn Geldgeber unterstützen das Projekt heute. „Das Justizministerium könnte auch bald dazugehören“, hofft Hett. „Tatsächlich wird der Antrag gerade entsprechend geprüft“, sagt René Brosius-Linke, Mitarbeiter im hessischen Justizministerium. Eine Entscheidung könne schon in den kommenden Wochen fallen.
Nichtsdestotrotz: Die Finanzierung sei nicht immer ein einfaches Thema. „Wenn man sich mal überlegt, was wir dem Land schon gespart haben . . .“, überlegt Initiator Hett. „Ein Tag im Gefängnis kostet 700 Euro, ein Tag in der Kunst gerade mal 70.“ Da würde es naheliegen, dass dieser Einsatz bezuschusst wird, beispielsweise durch die Bußgeld-Verteilung. Im Jahr 2012 haben hessische Gerichte und Staatsanwaltschaften laut Justizministerium insgesamt mehr als 12,7 Millionen Euro an gemeinnützige Einrichtungen gezahlt. „Wir werden kurioserweise vom Amtsgericht Biedenkopf mit unterstützt“, sagt Hett mit einem Lächeln. „Von Bad Homburg hingegen wurden wir lediglich vor 14 Jahren, kurz nach unserer Gründung, hin und wieder unterstützt – eine regelmäßige Zuweisung bleibt jedoch aus.“
Gespräch mit Gericht
Das will Hett nun ändern, mit dem Amtsgericht Bad Homburg ist er dafür bereits im Gespräch. „Aktuell erhalten wir über Bußgeld-Zuweisungen, vornehmlich aus Biedenkopf, rund 1500 Euro pro Jahr“, sagt er. „Bei einem Jahres-Etat von rund 45 000 Euro ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Sein Ziel sei es, die Bußgeld-Zuweisungen als zusätzliches finanzielles Standbein des Vereins zu etablieren – auch mit Hilfe der Bad Homburger Jugendrichter.
„Amtsgerichtsdirektor Stephan Schmidt hat uns bereits gesagt, dass er unsere Arbeit befürwortet und für eine Unterstützung plädieren würde“, erzählt Hett aus den laufenden Gesprächen. Die finale Entscheidung liege jedoch bei den Richtern selbst, sagt das Amtsgericht. „Die Strafrichter treffen die Entscheidung im Rahmen jedes einzelnen Verfahrens in ihrer Unabhängigkeit.“
Bisher haben mehr als 450 Jugendliche die Bildhauerwerkstatt aufgesucht. Sie kommen aus dem gesamten Hochtaunuskreis. „Traditionell haben wir aber, schon allein wegen der geografischen Nähe, einen Schwerpunkt aus Oberursel und Bad Homburg“, erklärt Hett.
Hier sieht er für die Finanzierung auch einen weiteren Anhaltspunkt: Außer den bisherigen Geldquellen – den Sponsoren, der Bußgeld-Zuweisung sowie den jährlich stattfindenden Auktionen – erledigen die „Kunsttäter“ auch zunehmend Auftragsarbeiten. „Wir arbeiten derzeit an zwei gigantischen Skulpturen“, verrät Hett. Wie viel Geld der Verein für solche Arbeiten erhält, möchte er zwar nicht sagen. „Nur so viel: Allein die Beleuchtung für das Werk, das vor dem Oberurseler Bahnhof stehen wird, ist mit 10 000 Euro eingeplant.“ Diese Auftragsarbeiten, betont Hett, tragen einmalig dazu bei, dass die Kunst der Jugendlichen auch als solche anerkannt wird – „und dass der Verein heute auf eigenen Beinen stehen kann“.
Die Bildhauerwerkstatt „Kunsttäter“ ist ein Ort, an dem straffällig gewordene Jugendliche einen Zugang zur Kunst finden sollen. Die Kunstwerke, die sie in ihren Sozialstunden erarbeitet haben, werden noch bis 31. August im Kulturzentrum Englische Kirche, Ferdinandsplatz, Bad Homburg, ausgestellt. Sie sind dienstags bis freitags von 16 bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Am Sonntag, 31. August, findet von 16 Uhr an eine Spendenauktion der ausgestellten Kunstwerke zugunsten der „Kunsttäter“ statt. Die Startpreise für kleinere Arbeiten, beispielsweise aus Speckstein, liegen bei 25 Euro. Das teuerste Werk, das verkauft wird, ist ein Fisch aus Alabaster: Der Startpreis liegt hier bei 800 Euro