Der schiefe Turm von Oberursel – Die Kartennadel steht
Taunuszeitung vom 03.06.2015 von Carla Marconi
Oberursel hat ein neues Kunstwerk: Eine überdimensionale Kartennadel schmückt seit tagen das bahnhofsgelände und soll zum neuen Treffpunkt der Stadt werden.
50°11’55.3 für den Breitengrad und 8°35’11.0 für den Längengrad – wer diese Zahlen in sein Navigationsgerät eingibt, gelangt genau zu dem neuen Kunstwerk, das seit kurzem die Stadt ziert und das gestern offiziell eingeweiht wurde. Es steht am Bahnhof an der Nassauer Straße/Ecke Frankfurter Landstraße. Und dort soll das Werk aus Acrylglas, Metall und Holz nicht nur die Blicke der Passanten auf sich ziehen, sondern auch als überdimensionale künstlerische Kartennadel fungieren.
„Die Satellitennadel kann auch zum Treffpunkt werden. Indem man die Geodaten verschickt und beispielsweise in sein Smartphone eingibt, ist es ein Einfaches, sich dort zu verabreden. In Zukunft könnte es dann auch heißen: Wir treffen uns am Oberurseler Satelliten“, sagt Künstler Andreas Hett. Er hatte, wie berichtet, die Idee zur Skulptur gehabt und hat diese zusammen mit Bildhauerin Regina Planz und zehn straffällig gewordenen jungen Menschen im Alter von 15 bis 21 Jahren in der Bildhauerwerkstatt der Kunsttäter umgesetzt.
Außer den straffällig gewordenen Jugendlichen war auch der 22 Jahre alte Matthias Reichwein regelmäßig engagiert, von den Planungen bis zu Schweißarbeiten. Für den jungen Frankfurter gab es gestern ein Dankeschön für seinen Einsatz.
Das Werk gleicht tatsächlich einer großen Nadel, die mit einer Neigung von 78 Grad aus dem Pflaster ragt. Während der Kegel silberfarben leuchtet, wird ein Holzball an der Spitze von mehreren farbigen, lichtreflektierenden Acrylringen umrundet. Besonders eindrucksvoll gestaltet sich das Ganze am Abend, wenn die Plastik von mehreren im Boden eingelassenen Lichtern angestrahlt wird.
Zweieinhalb Jahre
Deren Anbringung hat das Aufstellen des Kunstwerkes verzögert. „Wir waren eigentlich schon vor einem Jahr fertig, mussten jedoch noch auf die Beleuchtung warten“, erläutert Andreas Hett. Insgesamt habe es von der Idee bis zur Einweihung rund zweieinhalb Jahre gedauert. Der Sachwert der Statue liege im fünfstelligen Bereich, der ideelle Wert zwischen 20 000 und 22 000 Euro. Wobei ihre Finanzierung über zahlreiche Sponsoren erfolgte, die Stadt habe dafür kein Geld in die Hand nehmen müssen.
Schön sei es, dass die mitwirkenden Jungs auf das Werk „aufpassen“. „Sie identifizieren sich damit und sehen das Objekt als ,ihr‘ Kunstwerk an“, erläutert Hett. Am Brunnenfest habe es jetzt auch einen Härtetest überstanden, denn die Nadel wurde nicht von Randalierern beschädigt. Im Gegenteil: Immer wieder hätten Leute dort gestanden, und der Satellit habe einige fantasievolle Reaktionen bei den Passanten hervorgerufen. „Einige haben die Plastik als Sendeturm für die Kommunikation mit Außerirdischen angesehen oder ihr gleich Beinamen wie ,der schiefe Turm von Oberursel‘ gegeben“, erzählt er.